Leider musste ich das Ganze in zwei Teile teilen, nicht um die Spannung zu erhöhen, sondern weil ich sonst jeglichen Rahmen gesprengt hĂ€tte đ
Und so war es ein stĂ€ndiger Teufelskreis zwischen âHilfe, ich nehme alles wieder zuâ, âich will doch noch abnehmenâ, âich habe Angst, mich nicht mehr selbst zu kontrollierenâ und aber auch der Einsicht âso, wie es jetzt gerade lĂ€uft, möchte ich nicht die nĂ€chsten Jahre verbringen, auĂerdem habe ich mit diesem Weg die letzten Monate zwar gelebt, aber auch nichts nennenswertes abgenommen, im Gegenteilâ đ Ich weiĂ, dass es zu diesem Thema viele viele Meinungen gibt, eine ziemlich verbreitete ist, dass es einzig und allein ein Kaloriendefizit braucht zum Abnehmen. Davon bin ich auch sehr lange ausgegangen, genau DAS hat bei mir ja auch eine lange Zeit wunderbar funktioniert! Aber eben auch fast genauso lange dann nicht mehr, auch wenn ich rein rechnerisch sicher monatelang im Dauerdefizit war!
Im Ăbrigen muss ich sagen, je verkrampfter ich versuchte, meine tĂ€glichen Kalorien noch weiter als eh schon zu reduzieren, umso gröĂer wurde der tĂ€gliche Frust beim Gang auf die Waage. Ja tĂ€glich. Zum GlĂŒck habe ich das inzwischen hinter mir, denn wenn ich inzwischen eins weiĂ, mein Gewicht schwankt, wie wahrscheinlich bei den meisten Menschen, von Tag zu Tag so extrem, nicht selten sind da Differenzen von bis zu 2,5 Kilo möglich, egal wie wenig ich am Vortag gegessen habe. Aber diese Zahlen haben mich einfach mindestens so wahnsinnig gemacht, genau wie das Vorhaben, meine Kalorienzahl möglichst von Tag zu Tag zu unterbieten.
ErnĂ€hrung war Mittel zum Zweck. Einfach mal das essen, worauf man Bock hat, sah mein eigener Plan da irgendwie nicht vor. (Und mit Essen, worauf man Bock hat, meine ich jetzt nicht zwangslĂ€ufig die TĂŒte Chips oder die Tafel Schokolade!) Essen war sehr hĂ€ufig mit schlechtem Gewissen verbunden und totalem Frust. Davon, auf meinen Körper zu hören, was der jetzt gerade braucht und vor allem in welchen Mengen, war ich kilometerweit entfernt. Wenn ich etwas zubereitet und in diese verdammte App eingetragen habe, habe ich das aufgegessen, denn wie hĂ€tte ich jetzt 5 Löffel liegen lassen und 23,89 % aus der App herausrechnen sollen? Umgekehrt, wenn ich einen Tag mit 15 Kilometer laufen begonnen hatte und ich an dem Tag vielleicht einfach mal mehr Hunger hatte, wurde das ignoriert, weil das Kalorien-Budget das ja schlieĂlich nicht hergab. Was war die Folge neben Hunger? FRUST!!! Es hat mich so runtergezogen, dass ich gefĂŒhlt ALLES probiert habe, viele EinschrĂ€nkungen in Kauf genommen habe und sich trotzdem nichts getan hat. Wie heiĂt es so schön, âauf VerĂ€nderungen zu warten, ohne etwas dafĂŒr zu tun, ist wie an der Bushaltestelle auf ein Schiff zu wartenâ â ja nur ein doofer Spruch. Und doch so viel Wahres dran. Irgendwann musste sogar ich einsehen, dass mich meine KalorienzĂ€hlerei meinem ursprĂŒnglichen Ziel (nĂ€mlich ein gesundes Körpergewicht erreichen) nicht mehr groĂ nĂ€her bringen wird.
Und so habe ich in den letzten Monaten immer mal wieder alles Mögliche ausprobiert. KĂŒchenwaage verbannt, Kcal-App auf dem Handy deinstalliert. Zugegeben, immer mit der Angst im Nacken, zuzunehmen!! Aber je lĂ€nger am StĂŒck es ohne Kontrolle âgutâ lief, (im Sinne von âkeine Eskalation beim Essenâ, weil ich es ja nicht abgewogen habe ;-)) desto besser wurde das GefĂŒhl dabei. StĂŒck fĂŒr StĂŒck konnte ich mir selbst auch mal wieder bis um die nĂ€chste Ecke trauen. Das war allerdings auch immer wieder unterbrochen von Phasen, in denen ich doch wieder jede Tomatenscheibe auf die Waage gelegt habe. Abgenommen habe ich in der Zeit des Ausprobierens ĂŒbrigens nicht, im Gegenteil đ Im Rahmen der HM-Vorbereitung war es dann doch ein Plus von 2 Kilo. Tomatenscheiben abwiegen hin oder her! Wobei ich rĂŒckwirkend sagen kann, die 2 Kg waren es wert, weil ich einfach so unglaublich viel ĂŒber mich und das Thema ErnĂ€hrung in Zusammenhang mit unserer Psyche gelernt habe, was ihr in keinem Ratgeber dieser Welt findet!!!
Und dann hat es scheinbar doch irgendwie Klick gemacht vor einigen Wochen. Es lĂ€uft so gut, wie quasi noch nie. Ich wiege nichts ab, ich zĂ€hle keine Kalorien (letzter Eintrag in der App war am 03.06.19!) und nehme trotzdem pro Woche kontinuierlich ab. Nein, keine 3 Kilo in 5 Tagen, das war auch nicht das Ziel! Aber Fakt ist, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ein unglaublich entspanntes und dabei gesundes Essverhalten. Vermutlich ausgeglichener als je zuvor in den letzten 20 Jahren. Keine Ahnung ob das so bleibt. Eventuell gibt es da wieder neue Stolpersteine, die ich aus dem Weg rĂ€umen muss. Vielleicht hab ich in 5 Tagen wieder nen Pfeil im Kopf, der mir sagt âzĂ€hl deine Kalorienâ. Vielleicht aber auch nicht und ich habe nun irgendwie den Dreh fĂŒr eine ausgewogene ErnĂ€hrung gefunden, mit der ich noch ein paar Kilo abnehmen kann? Wer weiĂ! Ein paar Wochen sagen noch nicht viel aus, aber mir geht es unglaublich gut damit!
Denn hÀtte mir jemand vor einem halben Jahr erzÀhlt, dass ich irgendwann mal dahin komme, im Grunde zu essen, was ich möchte (aber eben nur DANN wenn ich wirklich Hunger habe und eben einfach aufhöre, BEVOR ich VOLL bin!!) und dabei auch noch Gewicht reduziere? Völlig ohne Kcal zÀhlen, irgendeinen Plan, der mir haarklein vorgibt, was ich zu essen habe? Und das ganz ohne irgendwelche Eskalationen in die andere Richtung?? Ich hÀtte es definitiv nicht geglaubt!
In ein paar Tagen gehtâs mit meiner Familie in den Urlaub und das war bisher immer schon Wochen vorher mein allergröĂter Horror!!! Es ist ja doch was anderes, wenn man nicht im gewohnten Umfeld dem gewohnten Tagesablauf nachgehen kann, es ja auch einfach andere Lebensmittel gibt, usw. Aber zum ersten Mal seit Jahren habe ich WIRKLICH keine Angst davor, was danach auf der Waage steht, weil ich einfach ganz stark davon ausgehe, dass es keine böse Ăberraschung geben wird.
Ich kann nur jedem raten, der ein Problem mit irgendeinem Thema hat: Holt euch Hilfe!!! In welcher Form auch immer. Traut euch! FĂŒr den einen ist sicher eine Therapie sinnvoll. FĂŒr mich war in den letzten Monaten die viele Lauferei verbunden mit dem regelmĂ€Ăigen Einzeltraining, in dem es halt automatisch ausnahmslos um mich und meine Baustellen ging, das Richtige. Nicht, weil ich so gerne auf meinen eigenen Problem rumkaue oder wir da Woche fĂŒr Woche meine ErnĂ€hrung auseinander pulen, nein gar nicht!! Hier gibt es ĂŒbrigens diesbezĂŒglich immer noch ab und an seltsame Fragen dazu, wie so ein Einzeltraining ablĂ€uft đ Leute! Löst euch von euren Vorstellungen! Ich muss da nicht Bericht ablegen, was ich gestern um 14:30 Uhr zu mir genommen habe đ Ich trainiere da einfach nur ungefĂ€hr 832 Mal intensiver als alleine und entscheide ansonsten selbst, wieviel von den anderen Baustellen âbearbeitetâ und besprochen wird! Aber, und das ist fĂŒr mich einfach extrem hilfreich: Ich bin einfach gezwungen, mich Woche fĂŒr Woche mit dem ganzen Kram zu befassen. Mit ekligen Themen. Schlechten alten Angewohnheiten. Mit mir selber. Mich zu hinterfragen. Ich rechtfertige meinen Weg und mein Gewicht (auf eigenen Wunsch!) und meist kommt man schon selbst auf einen möglichen Knackpunkt, wenn man es einfach mal thematisiert!!  Es ging und geht fĂŒr mich weiterhin darum, einen Weg zu finden, mit dem ich einfach langfristig richtig gut klar komme, idealerweise zufrieden bin und TROTZDEM (oder gerade deshalb?????) noch etwas verĂ€ndern (in dem Falle abnehmen) kann. Und je âunwichtigerâ oder sagen wir störungsfreier das Thema ErnĂ€hrung lĂ€uft, umso mehr kann ich mich aufs Training konzentrieren und mich idealerweise verbessern! Dass ich âganz nebenbeiâ gerade einen Gewichtstiefstand der letzten vielen Jahre erreicht habe, ist ein unfassbar geiler Nebeneffekt đ